Die Entgiftung mit Natriumthiosulfat
Natriumthiosulfat (Na2S2O3) ist das Natriumsalz der Thioschwefelsäure, also im Gegensatz zu anderen
schwefelhaltigen Antidoten eine anorganische Verbindung. Die Fähigkeit Chelate zu bilden ist jedoch auch dieser
einfachen Verbindung zu Eigen. Neben der Anwendung in der Notfallmedizin wird Natriumthiosulfat bei verschiedenen
industriellen Prozessen verwendet.
Natriumthiosulfat wird in der Notfallmedizin hauptsächlich bei akuten Intoxikationen eingesetzt. Dabei machen
sich die Mediziner die Affinität des Medikamentes zu sehr verschiedenen Toxinen zu Nutze. Beispiele für diese
Behandlungen sind die Vergiftungen mit Blausäure und anderen Cyaniden und cyanidhaltigen Halogen-Abkömmlingen sowie
cyanogenen Glykosiden. Daneben entgiftet Natriumthiosulfat von Amygdalin, Nitroprussid-Natrium und Nitrilen. Auch
die Ausleitung von Kohlenwasserstoffen, Chlor, Brom und Jod gelingt mit dem Mittel gut. Überdosierungen mit
Zytostatika behandelt der Arzt ebenfalls mit Natriumthiosulfat. Gegeben wird das Medikament intravenös als 25%ige
Lösung. Die weißen Kristalle löst der Apotheker in physiologischer Kochsalzlösung auf.
Neben dieser Behandlung bei Akutvergiftungen dient Natriumthiosulfat zur Ausleitung von Toxinen bei einer
schleichenden, chronifizierten Vergiftung. Vor allem stehen hier die Quecksilber-Kontaminationen durch
Amalgam-Füllungen im Vordergrund. Die Komplexbildung mit dem Schwermetall ist dabei nur durchschnittlich stabil und
die Effektivität der Entgiftung nicht im vollem Umfange zufriedenstellend. Trotzdem kommt Natriumthiosulfat zur
Anwendung, weil es eine preislich günstige Alternative zu anderen Chelaten darstellt.
Wenn der Zahnarzt die Amalgam-Füllungen entfernt hat, muss der Patient den Mund mehrfach mit Natriumthiosulfat
ausspülen und die Lösung ausspucken. Zusätzlich kann auch eine orale Medikation erfolgen, die zur Ausleitung von
Schwermetallen wie Quecksilber aus dem Magen-Darm-Trakt herbeiführt. Daneben kann eine intravenöse Injektion die im
Körper akkumulierten Rückstände beseitigen.
Die Medikation während einer Entgiftungskur mit Natriumthiosulfat erfolgt täglich mit einer Menge von 7 g. Die
Behandlung muss konsequent 2 bis 4 Monate durchgehalten werden.
Als Nebenwirkungen können allergische Reaktionen gegen Natriumthiosulfat auftreten. Dieses Risiko besteht
insbesondere bei Asthmatikern, die unter der Medikation auch einen anaphylaktischen Schock erleiden können. Bei
diesen Patienten müssen während der Anwendung Kortison-Präparate bereitgehalten werden, um unverzüglich eingreifen
zu können.
|